Eine Legende geht in den Ruhestand

In einer Zeit ständig neuer Superlative sollte man mit dem Begriff „Sensation“ sparsam umgehen. Es gibt im Ulmer Sport aber einen Mann und dessen Familie, für deren Bilanz das Wort „sensationell“ absolut angemessen ist. Werner Rösch hat geschafft, was eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist: als mehr oder weniger im Flachland gelegener Verein, ausgehend von den allerkleinsten Biathlon-Anfängen, sich im Nachwuchsbereich inzwischen auf Augenhöhe mit Ruhpolding und Oberhof katapultiert zu haben, den renommierten Zentren der Sportart.

„Eigentlich sind wir in Ulm gar nichts, wir sind nur ein kleiner Stützpunkt des Schwäbischen Skiverbands. Und wir haben keine hauptamtlichen Trainer“, gibt Rösch zu bedenken und fügt dann nicht ohne Stolz hinzu: „In Deutschland sind wir inzwischen einer der stärksten Vereine im Nachwuchs. Das hätte ich mir nie erträumt.“ Die Zeiten, in denen die Ulmer Skijäger belächelt wurden, sind in der Tat lange vorbei. Der Beweis: 2017 wurde Marina Sauter Jugendweltmeisterin, in diesem Frühjahr Philipp Lipowitz Junioren-Weltmeister.

Der 76-jährige Stützpunktleiter und Trainer, der dieses kleine Sport-Wunder initiiert hat, verabschiedet sich - nach fast 50 Jahren in den unterschiedlichsten Funktionen – am morgigen Samstag im PistenBully-Biathlonzentrum Dornstadt/Ulm von allen seinen Ämtern. Menschen, die Rösch auf seinem langen sportlichen Weg begleitet haben, werden dort Dankeschön sagen.

Bereits bei der Mitgliederversammlung des DAV Ulm hatte er kürzlich reichlich Applaus erhalten. 22 Jahre bis jetzt war er dort stets rühriger Vorsitzender der Skiabteilung. 342 Mitglieder hatten bei seinem Start der Abteilung angehört, inzwischen sind es 1230, wie Sektions-Vorstand Heinz Schmid herausstrich: „Er hat sieben Tage in der Woche für die Sektion gearbeitet.“

Der gebürtige Ulmer, gelernter Glaser, Fensterbauer und Schreiner mit Meisterprüfung, kam über die Leichtathletik zunächst 1971 zum Langlauf – auch seine Ehefrau Christa war auf den schmalen Latten unterwegs - und war hier auch Jugendsportwart. Auch die Söhne Matthias (später Trainer) und Thomas (C/D-Kader) waren dann bereits beim Biathlon-Start in den 80er-Jahren dabei. „Unser Ziel war, eine regional gute Mannschaft aufzubauen und den einen oder anderen Biathleten ans Ski-Internat Furtwangen zu bringen. Das hängt aber auch immer davon ab, ob ich Sportler bekomme, die ich weiterbilden kann“, schaut Rösch zurück.

„Später haben wir dann überlegt: Machen wir es richtig oder hören auf?“ Das Resultat: Sie suchten das Gelände für eine Biathlon-Anlage. Die sollte schließlich 2005 hinter der Rommelkaserne eingeweiht werden: mit zunächst acht Kleinkaliber- und acht Luftgewehr-Bahnen sowie einer asphaltierten 350-m-Laufstrecke für Skiroller. „Von da an ging es steil nach oben.“ Bis dahin galt es allerdings, viel Überzeugungsarbeit zu leisten und von Pontius zu Pilatus zu rennen, um Zuschüsse loszueisen. Röschs Fazit: „Es ist eine Freude, mit dem Verein in Ulm Sport zu treiben. Keine Stadt landauf landab engagiert sich so für den Sport.“ Seit 2010 produzierte Rösch sogar für acht Wochen im Jahr Kunstschnee – beste Trainingsbedingungen in Dornstadt.

Um Kinder fürs Biathlon zu begeistern, ging Rösch in sechs Grundschulen. Er organisierte in den dritten und vierten Klassen Wettkämpfe, holte die besten Schüler in den Ulmer Stützpunkt und bildete Schülermentoren aus. „Alle unsere Trainer waren früher Schülermentoren“, kann er heute feststellen. Ein rasanter Aufschwung begann – bis zum vorläufigen Höhepunkt in diesem Frühjahr: Jene drei Sportler, die es aus Baden-Württemberg zur Junioren-WM schafften, kamen alle aus Ulm! Außer Lipowitz noch Sabrina und Mareike Braun. Top-Talente wie Charlotte Gallbronner oder Julia Tannheimer stehen bereit. Vielleicht geht sogar einmal Röschs Traum in Erfüllung: ein Weltcup-Starter aus Ulm.

„Ich will jetzt zuerst mal zur Ruhe kommen, mich Stückchen für Stückchen rausnehmen“, skizziert Rösch seine neue Zeitrechnung. Ob er seinem Nachfolge-Team noch mit Rat und Tat zur Seite stehen wird? „Wenn mich jemand fragt, kriegt jeder eine Antwort“, versichert er: „Ich möchte mich aber nicht reindrängen, ich will kein Klugscheißer sein.“ Ohne Rösch, das ist jedem klar, wäre das Ulmer Biathlon-Märchen niemals möglich gewesen. Deshalb: Eine Verneigung vor Ihrem sportlichen Lebenswerk, lieber Werner Rösch!

INFO: 2013 „Trainer des Jahres“ im Land

Seine höchste Würdigung hat Werner Rösch am 20. Januar 2014 erfahren: Da zeichnete der Landessportverband Baden-Württemberg vier „Trainer des Jahres 2013“ aus. Aus den Händen des damaligen Kultusministers Andreas Stoch erhielt er schon damals den Ehrenpreis für sein Lebenswerk. „Das war eine große Auszeichnung für mich, es bedeutet mir sehr viel. Vom Herzen her war ich immer mehr Trainer als Funktionär“, betont Rösch.

Das wichtigste für ihn sei, dass ein guter Trainer dem Sportler die Wege aufzeige, die er gehen kann: „Ein Sportler muss eine klare Zielsetzung haben.“ Die Faszination des Biathlons beschreibt er so: „Da ist immer Spannung. Man stirbt tausend Tode, wenn man durch das Glas schaut. Freud und Leid liegen sehr eng beieinander.“ vg

 

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