Wilde Trails am Piz Ducan
Wilde Trails am Piz Ducan
Sechs Berg- und Radbegeisterte starten an diesem Samstag im August von verschiedenen Orten, lange vor Sonnenaufgang. Mit Schweizer Präzision und Pünktlichkeit treffen sich ihre Wege und sie werden zur Gruppe und erreichen Davos...
Dort starten wir direkt zum ersten Aufstieg durch das Dischmatal zum Dürrboden, einer seit Jahrhunderten bestehenden Zwischenstation der Säumer die auf der „Via Valtellina“ über den Scalettapass ins Engadin oder zurück unterwegs waren. Uli drückte von Anfang an aufs Tempo, da der Wetterbericht mit Gewittern drohte. Die Passhöhe erkauften wir uns zu großen Teilen schiebend und die durch Nebel getrübte Sicht bot ein ganz eigenes Schauspiel. Wer auf der folgenden Abfahrt die Hoffnung hegte, dass die Anstrengungen zumindest für diesen Tag bewältigt wären, hatte nicht mit der Salamitaktik bezüglich der Höhenmeter gerechnet. Immer wieder folgten kleine Gegenanstiege, kurze „Bergeinheiten“, Trage- und Schiebeepisoden, auf diesen kamen wir an den traumhaft gelegenen Ravaiser Seen vorbei. Die folgenden anspruchsvollen Abfahrten taten ihr Übriges. Beim Passieren einer Schafherde wurden wir von 5 Herdenschutzhunden zum Stoppen gezwungen. Der Schäfer befreite uns behutsam aus der prekären Lage und erklärte uns bereitwillig die Geschichte und Hintergründe dieser lange in Vergessenheit geratenen Methode, Nutzvieh vor dem inzwischen wieder heimischen Wolf zu schützen (https://www.herdenschutz.ch/). Danach trennten uns nur noch 20 Höhenmeter von einem letzten Trail für diesen Tag. Natürlich reflektieren solche Aussagen immer nur ein gewisses Minimum, und es wurden eher 20+(groß)-X. Aber der Trail entschädigte uns, auch wenn er eine schwere Passage um eine Mutterkuhherde erforderte.
Am Ende war das Wetter sehr gnädig und wir kamen trocken im Hotel Albula in Bergün an.
Nach kurzen Verhandlungen über die Zimmeraufteilung in Einzel-, Doppel- und Stockbetten mussten wir leider erfahren, dass eine Erweiterung der Übernachtung mit Frühstück auf Halbpension leider nicht mehr kurzfristig möglich war. Die uns nahegelegte Lokalität mit einer „schönen Speisekarte“ (in der Schweiz steht „schön“ wohl meist für „exklusiv“) ließen wir links liegen und konnten bei leckerer Pizza dann endlich die verbrauchten Kalorien wieder auffüllen.
Am Morgen erwartete uns ein opulentes Frühstück und –ja, natürlich wieder ein straffer Zeitplan, denn erneut drohten mehrere Wetterberichte mit Gewitter am Nachmittag. Diesmal konnten wir sogar ein paar hundert Höhenmeter auf Asphalt gemütlich hochkurbeln, eine kurzfristige Streckenänderung auf Wunsch der Teilnehmer, machte dies möglich (erkauft mit 100 zusätzlichen Höhenmetern, aber was ist schon umsonst heutzutage…).
Nach dem letzten Hof am Eingang zum Hochtal (Val da Stugl) wurde es erst steil, dann steiler, kurz darauf richtig steil. Wie auf Bestellung verzog sich nun der Nebel und die Sonne brannte gnadenlos auf uns herab. Nachdem der erste Anstieg geschafft war, zog sich der Weg durch das einsame Hochtal in einer leichten Steigung dahin. Doch bald entwickelten sich sowohl die Wegbeschaffenheit als auch die Steigung wieder in die falsche Richtung und wir mussten erneut schieben. Als später die meisten schon zum Tragen übergegangen waren (der Weg verlor sich in einem Murenabgang), wurden wir von E-Bikern eingeholt. Ob des schweren Geländes kämpften auch diese hart mit ihrem Gerät. Es sollten bis fast zum Ende Tour die einzigen Menschen sein, die unseren Weg kreuzten. Kurz darauf erreichten wir den höchsten Punkt der Tour auf 2.670 m. Von hier sollte es nur noch bergab entlang des Ducanbach gehen. Es startete mit einem ruppigen, technischen Trail, der bald in unerwartet flowige Kurven und einen natürlichen Pumptrack mündete. Vorbei an den imposanten Dreitausendern: Gletscher Ducan, Chlein Ducan und Piz Ducan ging es zur Zwischenstärkung ins „Walserhuus“ in Sertig. Susi nutzte den Stopp für einen Bremsbelagswechsel zur Vorbereitung auf den folgenden Swiss Epic Trail nach Monstein, der den Tag abrunden sollte.
Im ersten Teil konnten die neuen Bremsbeläge ihre Vorteile noch nicht ausspielen, denn er ging technisch und konditionell fordernd immer leicht bergauf oder zumindest wellig vorwärts. Doch je mehr wir uns dem Ende dieses Tages näherten, desto mehr nahm auch das Gefälle wieder zu und endete in einem technischen Trailfeuerwerk in Monstein, das dann gebührend bei einem Heidelbeerkuchen (mit Rahm) gefeiert werden konnte. Dann bezogen wir die Gruppenunterkunft Bäretälli mit Stockbetten im Hotel Ducan. Der Panoramablick war etwas statisch, denn er kam von einer Fototapete im Lichtschacht der im Keller gelegenen Räumlichkeiten. An diesem Abend nutzen wir die „schöne Speisekarte“ in unserer Unterkunft und genossen das Monsteiner Bier und auch das Monsteiner Leitungswasser (das zu unserer Überraschung nicht wesentlich günstiger war als das Bier). Wieder waren wir dem Gewitter ausgewichen oder es hatte es sich anders überlegt.
Nach einem leckeren Frühstück (wir hatten an diesen Montag das Büffet nur für uns) war ein Tag mit bestem Bergwetter angesagt, also sparten wir nicht mit der Sonnencreme und setzten den Swiss Epic Trail bis zur Zügenschlucht fort. Natürlich ging es auch an diesem Tag wieder kräftig bergauf, diesmal meist auf gut fahrbaren Forstwegen. Um nach Davos zurückzukommen, mussten wir allerdings noch einen längeren, abenteuerlichen Trail in stark ausgesetztem Gelände bewältigen. Uli führte uns sicher und souverän auch durch diese atemberaubende Passage, war aber auch sichtlich erleichtert, alle seine Schäfchen sicher durch diesen Abschnitt gebracht zu haben.
Beim Abschluss-Apéro am Freibad Davos konnten wir etwas müde, aber rundum glücklich auf 3 tolle Tage und 4.900 Höhenmeter aus eigener Kraft zurückblicken. Die exzellente Routenwahl unseres Tourenführers Uli bot uns einen enorm hohen Anteil an anspruchsvollen Singletrails, nicht nur bergab. Wir freuen uns auf die nächste Tour!
Bericht: Stefan Sablatnoeg, Ronny Hermann
Fotos: Uli Kindermann, Simone Mahling, Ronny Hermann, Stefan Sablatnoeg